Geschichtswerkstatt
Duderstadt:
Die Friedenstaube,
der “Freundeskreis
Thüringen /
Niedersachsen”
und wir
Die Zeit des Nationalsozialismus
lehrt uns unter anderem, niemals
politische Parolen ungeprüft hin-
zunehmen oder gar blindlings zu
übernehmen. Diese Lehre haben
wir anzuwenden in unserer
Gegenwart.
Wir haben es derzeit mit dem Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen zu tun.
Auf ihrer Facebook-Seite gibt diese Vereinigung Auskunft über sich selbst,
und zwar als
-
besorgten Bürgern, die sich in der „aktuellen politischen Landschaft“
nicht repräsentiert sehen,
-
als verantwortungsbewussten deutsche Patrioten und
-
als friedfertigen Demokraten, für die auch die Friedenstaube ein Symbol
ihrer Ziele sei.
Bei genauem Hinsehen gibt diese Facebook-Seite jedoch noch ganz anderes
von den thüringisch-niedersächsischen „Freunden“ preis.
Sie schreiben von der Medienhetze gegen sich und vom „Lügensender“ FFN.
Das entspricht der allgemeinen Verunglimpfung von Journalisten und der
Presseorgane als „Lügenpresse“. Es zeugt nicht davon, dass die genannten
„Freunde“ die Pressefreiheit und damit das Recht auf freie Meinungsäußerung
als Grundpfeiler unserer Demokratie achten.
Weiter erklärt der „Freundeskreis“ die Bundesrepublik zu einem Land, in dem
die Herrschenden das Volk unterdrücken. In diesem Zusammenhang steht der
Satz: „Das System hat Angst. Angst, dass das Volk sich diesen Irrsinn nicht
mehr länger gefallen lässt.“ Das soll heißen: Die Herrschenden haben Angst
vor dem Volk. Und der „Freundeskreis“ sieht sich selbst auf der Seite dieses
Volkes, das sich Gehör verschaffen und zur Wehr setzen müsse. Voller
Anmaßung wird dort unten gerufen: „Wir sind das Volk!“
Das Wort „System“ – ich habe zitiert: „Das System hat Angst“ – ist der
Sprache der Nationalsozialisten entnommen. Es bezeichnet dort die
Auffassung von einer bestimmten gesellschaftlichen und politischen Ordnung.
Die Nazis bezeichneten die Jahre der Weimarer Republik verächtlich als
„Systemzeit“ und zerschlugen die Demokratie. Der Homepage des
„Freundeskreises“ zufolge ist auch unsere heutige Demokratie ein „System“.
Sprache kann verräterisch sein. Sie kann darauf hinweisen, wes Geistes Kind
einer ist.
Auf der Facebook-Seite des Freundeskreises Thüringen/Niedersachsen wird
auch das in unserem Grundgesetz verbriefte Recht auf Asyl für politisch
Verfolgte nicht anerkannt. Ebenso wenig das Recht von Kriegsflüchtlingen auf
Aufnahme und Schutz. Es ist von „Asylforderern“ die Rede, die „in unser Land
hineinfluten“. Es wird dazu aufgerufen, gegen den „Irrsinn“ der Aufnahme von
Flüchtlingen aufzubegehren. Auf infame Weise wird vor den Flüchtlingen
gewarnt. Es wird in einem Text nahegelegt, sie
-
als Diebe und Räuber anzusehen,
-
sie als Brandstifter und Vergewaltiger zu betrachten,
-
sie als Mörder zu fürchten, als besonders grausame Mörder sogar,
nämlich als Halsabschneider im blutigen Sinne des Wortes.
Das sind vergiftete Rede- und Denkweisen. Solche Hetze ist gänzlich
unvereinbar mit dem, wie wir uns unser Land wünschen: human, gerecht,
demokratisch, weltoffen. Auf der Facebook-Seite des Freundeskreises
Thüringen/Niedersachsen offenbart sich dagegen reiner Rassismus. Von dem
hatten wir in unserer Geschichte schon mehr als genug. Dabei gibt es einen
Unterschied. Der Rassismus der Nazis richtete sich gegen die Juden, die Sinti
und Roma und die slawischen Völker. Ein Bodensatz vor allem des
Antisemitismus und desAntiziganismus ist davon geblieben. Zur Zeit aber
blüht am rechten Rand unserer Gesellschaft auf ganz hässliche Weise die
Missachtung der fremden Flüchtlinge auf. Die brennenden
Flüchtlingsunterkünfte können durchaus an die brennenden Synagogen
erinnern.
Seit einer Woche verdeckt eine Friedenstaube bei dem Kriegerdenkmal dort
unten ein nationales Zeichen des Krieges: das Eiserne Kreuz. Ich sage nicht
ohne Grund: Es ist das Friedenszeichen dieser Gegendemonstrationen. Der
Stadt Duderstadt ist zu danken, dass es vorerst dort bleiben darf. Aber auch der
Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen, der das Kriegerdenkmal als Ort für
seine Mahnwachen aussuchte, hat die Veränderung begrüßt. Die Friedenstaube
sei „ein perfekt passendes Symbol für [ihre] friedlichen Ziele“.
Doch die Friedenstaube kann für Fremdenfeindlichkeit nicht im Geringsten in
Anspruch genommen werden. Sie mahnt zu einem uneingeschränkt friedlichen
Umgang der Menschen miteinander. Wo auch immer es sei. Überall.
Gegenüber den Flüchtlingen heißt das: Unsere Hilfsbereitschaft und unsere
Mitmenschlichkeit sind gefordert – und nicht feindselige Zurückweisung. Wer
in der Aufnahme von Flüchtlingen einen „Irrsinn“ sieht, wer Hass gegen
Fremde zu schüren versucht, verhält sich extrem unfriedlich. Er ist der wahre
geistige Brandstifter. Wenn er sich dennoch auf die Friedenstaube beruft, dann
zur Tarnung und Täuschung.
Die Organisatoren der „Mahnwachen“ des „Freundeskreises“ versuchen, sich
hinter einer biederen Maske zu verbergen, eben auch hinter solchen Symbolen,
wie die Friedenstaube eines ist. Das kann ihnen aber nicht gelingen. Es bleibt
deshalb durchschaubar, weil sie sich zugleich gegenüber ihren Sympathisanten
zu erkennen geben müssen. Weil sie versuchen, mit Hilfe von
Stimmungsmache gegen Flüchtlinge ihre Basis zu verbreitern. So ist
festzustellen: Sie sind nicht das, was zu sein sie gegenüber Außenstehenden
vorgeben. Sie sind alles andere als harmlos.
Deshalb weise ich zum Schluss auf eine weitere Lehre hin, die aus der Zeit des
Nationalsozialismus zu ziehen ist:
Wehret den Anfängen!
Zitate aus
https://www.facebook.com/pages/Freundeskreis-Th%C3%BCringen-
Niedersachsen/1647823015497768?sk=videos&ref=page_internal am
26.12.2015
und einem Mitschnitt der Reden und Rufe bei der „Mahnwache“ am
13.12.2015.
Götz Hütt