Kriegsgefangenen-Durchgangslager in der
Ziegelei Bernhard
Die Ziegelei Bernhard in Duderstadt wurde im Frühjahr 1945 von
der Wehrmacht als Kriegsgefangenen-Durchgangslager
(“Dulag”) genutzt und war Schauplatz von Kriegsverbrechen,
begangen an gefangenen Soldaten der alliierten Kriegsgegner.
mehr als 40 Gefangene fanden den Tod. In Duderstadt wurde
die Geschichte dieses Lager bislang wenig beachtet, entweder
beschwiegen oder verharmlost. Selbst das von der Stadt
Duderstadt herausgegebene umfangreiche Buch “Duderstadt
1929 - 1949” von Ebeling/Fricke weist nicht auf das Lager hin.
Ein CDU-Ratsherr erklärte 2011 in einer Sitzung im Stadthaus,
alles sei nicht so schlimm gewesen, nur zwei Gefangene seien
erschossen worden - um dann noch hinzuzufügen: “Und die
wollten das.” Tatsächlich gab es sehr viel mehr Todesopfer.
Zum Dulag Ziegelei Bernhard führte die Geschichtswerkstatt
Duderstadt ein Projekt “Archivrecherche Kriegsverbrechen an
Alliierten im Dulag Duderstadt 1945” durch. Unterstützt wurde
diese Arbeit durch Zuschüsse der Stadt Duderstadt, der
Sparkasse Duderstadt und der Stiftung niedersächsische
Gedenkstätten. In den Zuschussanträgen der
Geschichtswerkstatt heißt es zur Bedeutung des Lagers:
“Im März 1945 wurde in einer stillliegenden Ziegelei am
Stadtrand von Duderstadt ein Kriegsgefangenen-
Durchgangslager errichtet. Das gelegentlich auch als
Auffanglager bezeichnete Dulag war eher ein Provisorium als
ein ordentlich eingerichtetes Lager. Verantwortlich war das
Wehrkreiskommando XI Hannover. Anlass der Lagergründung
war die Räumung etlicher Stalags und mit ihnen verbundener
Arbeitskommandos im Osten, hier aus Schlesien und
insbesondere aus Görlitz, vor der heranrückenden Roten Armee.
Im Durchgangslager sollten die Kriegsgefangenen gesammelt,
zum Teil auf Arbeitskommandos verteilt und ansonsten
weitertransportiert werden.
Obwohl laut Aussage des Kommandanten Fuhrmann eigentlich
zwei am Rande von Duderstadt gelegene Ziegeleien als
Räumlichkeiten für das Lager vorgesehen waren, wurde es
tatsächlich lediglich in Gebäudeteilen der Ziegelei Bernhard
eingerichtet. Hatten die ursprünglich angeblich vorgesehenen
Räumlichkeiten für bis zu 10.000 Gefangene ausreichend sein
sollen, so konnten die tatsächlich zur Verfügung stehenden
Gebäude allenfalls 2.000 bis maximal 2.500 Personen
beherbergen. Tatsächlich waren es jedoch offenbar zwischen
15.000 und 20.000 Kriegsgefangene, die innerhalb der kurzen
Zeit seiner Existenz das Lager passierten und unterschiedlich
lange dort blieben. Die Gefangenen gehörten etwa 15
verschiedenen Nationen an, darunter waren Staatsbürger der
UdSSR und der USA, Briten, Kanadier, Australier,
Neuseeländer, Südafrikaner, Franzosen, Jugoslawen, Griechen,
Palästinenser, Zyprer, Senegalesen, wahrscheinlich auch
Niederländer und Polen. Bisherigen Recherchen zufolge starben
hier mindestens 75 Personen (Sterberegister Duderstadt,
Krankenbuchlager Berlin, Friedhofsunterlagen Duderstadt,
National Archives [damals: Public Record Office] Kew/London.
Es kam zu teilweise brutalen Misshandlungen, z. B. wurden
beim Anstehen zum Essen Schläge mit Gewehrkolben auf den
Kopf gegeben. Einzelne Gefangene wurden wegen Verstößen
gegen eine damals nur verlesene, heute bisher nicht schriftlich
vorliegende Lagerordnung von Wachen erschossen.
Einige Gefangene wurden auf Arbeitskommandos in der Region
Duderstadt - Göttingen verteilt, andere nach kurzem Aufenthalt
im Dulag in Richtung Herzberg/Harz und Braunschweig in
Marsch gesetzt. Ungefähr 700 Kriegsgefangene blieben beim
Näherrücken der amerikanischen Armee ohne Nahrung im
Lager zurück, nachdem die deutschen Wachen die Flucht
ergriffen hatten.” (Günther Siedbürger)
Die durchgeführte Archivrecherche steht am Anfang eines noch
unausgeführten umfangreichen Forschungsprojekts.